Hören ist Vorsorge
Hörsysteme (d.h. Hörgeräte und Hörimplantate) verhelfen zu mehr Lebensqualität – im beruflichen wie im privaten Alltag: Sie verbinden Menschen, die mit einer Hörminderung leben, mit ihrer Umwelt, pflegen soziale Kontakte und bewahren vor Abhängigkeit im Alter. Sie senken das Risiko gesundheitlicher Folgen unversorgter Hörminderung wie Demenz, Depressionen oder Schwindel- und Sturzanfälligkeit. Wie folgenreich es ist, einen Hörverlust unbehandelt zu lassen, wissen nur wenige. Andernfalls wären das Interesse an Hörvorsorge und die Nachfrage nach kostenfreien Hörtests beim HNO-Arzt oder beim Hörakustiker sicher um einiges höher.
Ein Viertel der ü-50-jährigen hat noch nie einen Hörtest gemacht!
Um die Vorsorgebereitschaft der Bundesbürger für ihre Hörgesundheit zu untersuchen, hat der Bundesverband der Hörsysteme-Industrie (BVHI) im Juli 2021 eine repräsentative Befragung des Marktforschungsinstituts Civey in Auftrag gegeben.
Demnach hat ein Viertel der Deutschen ab 50 Jahren noch nie einen Hörtest gemacht. Bei 21 Prozent der Befragten über 50 liegt der letzte Hörcheck bereits über fünf Jahre zurück.Das Problem: Ein ab etwa dem 50. Lebensjahr einsetzender, altersbedingter Hörverlust beginnt oft schleichend und kann lange Zeit unbemerkt bleiben. Betroffene drehen die Musik oder den Ton des Fernsehers auf, reden zunehmend lauter und akzeptieren, bestimmte Laute schlicht zu überhören. Viele sind erst dann bereit zu handeln, wenn sich ihr Hörverlust vor den Mitmenschen nicht mehr länger verbergen lässt. Allerdings kann er dann so weit fortgeschritten sein, dass auch die Gewöhnung an ein Hörsystem schwerer fällt. Des normalen Hörens kann man sich mit der Zeit regelrecht entwöhnen und muss dieses dann mit neu angepassten Hörgeräten erst wieder erlernen.
Hörscreening ab 50 Jahren als Krankenkassenleistung
Da Hörvorsorge nachweislich nur unzureichend betrieben wird, bedarf es eines Impulses oder Anreizes, um noch mehr Menschen für die Pflege und regelmäßige Kontrolle ihres Hörsinns zu motivieren. Daher fordern der Bundesverband der Hörsysteme-Industrie (BVHI) und der Deutsche Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte (BVHNO), einen Mini-Hörcheck ab dem 50. Lebensjahr in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufzunehmen. Hierfür hat das Wissenschaftliche Institut für angewandte HNO-Heilkunde (WIAHNO) einen kurzen Fragebogen entwickelt und wissenschaftlich prüfen lassen. Der Fragebogen lässt sich z.B. anlässlich eines Besuchs beim Haus- oder Facharzt in wenigen Minuten beantworten: In einer allgemein- oder fachärztlichen Praxis der Grundversorgung administriert die Assistenz in wenigen Minuten den Fragebogentest für einen ü-50 Patienten. Ist die Beantwortung auffällig, erhält der Patient eine Überweisung zu einem HNO-Facharzt für eine gründliche audiometrische Untersuchung.
Der Vorteil eines Hörscreenings ab 50 liegt auf der Hand: Es wird sofort erkennbar, ob ein gründlicher Hörtest notwendig ist, den, wie die Befragung zeigt, noch immer zu wenige Betroffene aus eigener Initiative durchführen lassen. Dabei ist gerade in Bezug auf die Hörgesundheit regelmäßige Vorsorge wichtig, denn bei Hörminderungen und der Hörsystemeversorgung geht es um weit mehr, als nur darum, gut zu hören.
Argumente für ein gesetzliches Hörscreening ab 50:
Zum Welttag des Hörens am 3. März 2021 veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Ergebnisse und Empfehlungen ihrer ersten globalen Untersuchung zu Hörminderungen und zur Hörsystemversorgung. Demnach leben 1,5 Milliarden Menschen weltweit mit einem beeinträchtigenden Hörverlust. Von über zehn Millionen Menschen in Deutschland, die nach eigenen Angaben eine Schwerhörigkeit haben, sind fast sechs Millionen signifikant beeinträchtigt. Allerdings unternimmt nur ein Drittel etwas dagegen. Dabei ist eine Hörgeräteversorgung für gesetzlich Krankenversicherte in Deutschland bei entsprechender Indikation bereits aufzahlungsfrei erhältlich.
Eine Schwerhörigkeit im mittleren Lebensalter ist der größte beeinflussbare Risikofaktor für eine spätere Demenzerkrankung. Insbesondere ab einem Alter von 50 Jahren nimmt die Hörleistung kontinuierlich ab. Um Folgeerkrankungen vorzubeugen, muss eine Schwerhörigkeit so früh wie möglich erkannt und versorgt werden. Denn laut einer aktuellen Studie der Lancet Kommission für Demenzprävention lassen sich bis zu 40 Prozent der Demenzerkrankungen verhindern oder zumindest verlangsamen.
Den Zusammenhang zwischen Depression und Schwerhörigkeit belegt unter anderem eine Studie des US-Gesundheitsministeriums: 11,4 Prozent der Erwachsenen mit schwerem Hörverlust fühlen sich depressiv, während dieser Anteil bei Menschen mit gesundem Gehör nur halb so hoch ist. Ein Zusammenhang, den sich laut EuroTrak-Studie 2018 nur ein Drittel der Menschen in Deutschland vorstellen kann.
Die britische Studie „Hearing Loss – Numbers and Costs“ aus dem Jahr 2019 beziffert die volkswirtschaftlichen Folgekosten unversorgter Hörminderung in Europa auf jährlich über 185 Mrd. Euro. In Deutschland tragen von 5,8 Millionen Menschen (über 15 Jahre) mit einer beeinträchtigenden Hörminderung lediglich zwei Millionen Hörsysteme. Die jährlichen Kosten aufgrund von Produktivitätsverlusten, häufigerer Arbeitslosigkeit und gesunkener Lebensqualität unversorgter Schwerhöriger belaufen sich auf 39 Milliarden Euro jährlich. Pro Person mit unversorgtem Hörverlust sind das 10.300 Euro im Jahr, die mit einer Hörsystemversorgung einzusparen wären.
Downloads
- Argumentationsleitfaden „Hörtest ab 50 in den Leistungskatalog der GEK„
- Hörtest ab 50 – Infografiken für Social Media
- WHO World Report on Hearing
- WHO World Report on Hearing – Factsheet Deutschland
- Ratgeber-Broschüre „Hören. Der Sinn deines Lebens“